Kulturschock Bergvölker und Seenomaden von Tom Vater – Rezension

Thailand

kshilltribes

Der Thailandkenner, der Südchina (Yünnan) bereist, ist überrascht, hier in den Bergen altbekannte Namen wie Akha, Lisu, Lahu, Yao und Hmong unter den heute weitgehed geschützten Minderheiten – die man China Nationalitäten nennt – anzutreffen, denen er vielleicht schon einmal in Thailand begegnet ist. Wer allerdings deren Geschichte kennt, weiß, dass sie alle einmal aus Tibet über China, aber auch aus Mzanmar und Laos nach Nordthailand gewandert sind und der tibeto-birmanischen oder der sino-tibetischen Srachgruppe angehören.

Das von Tom Vater in der Reihe „Kulturschock“ vorgelegte Buch hilft nachhaltig, nicht nur die „Bergstämme“, wie man sie in Thailand nennt, sondern auch die Nomaden kennenzulernen, die sich des Festlandes enthalten und in Booten leben. Die ethnischen Minderheiten Thailands haben lange im Schattendasein gefristet, bis sie endlich die Staatsbürgerschaft erhielten – ohne deshalb zu Thai zu werden.

Ihre Lebens- und Wirtschaftsweise blieb den Thais fremd, die sie teilweise, z.B. im Fall des Wanderhackbaus, ablehnten, aber das Vordringen des Tourismus in das Leben etlicher Minderheiten und ihre schrittwesie Eingliederung in das moderne Wirtschaftsleben sowie ihre Akzeptanz moderner Technologien im Privatleben verwischt Unterschiede und kann nicht ohne Folgen für ihre materielle Kultur bleiben.

Vater gelingt es, die Geschichte Thailands, die ja auch von langen Migrationen gekennzeichnet ist, mit der der Minderheiten zu vergleichen und ihre allmähliche Integration in das sich herausbildende Königreich Thailand zu beschreiben. Dabei werden die sechs bedeutendsten Bergvölker und die beiden bedeutendsten Seenomden-Minderheiten historisch, kultutell und sozio-ökonomisch in aller Ausführlichkeit vorgestellt. Es werden auch besondere Gruppen, etwa die Langhalsfrauen (Kayan) oder die „Geister der gelben Blätter“ (Mlarbri), angesprochen und im Zusammenhang mit dem Tourismus bzw. der wirtschaftlichen Entwicklung beschrieben.

Das Politische wird nicht verheimlicht, denn vor allem von Myanmar aus flüchten immer wieder Gruppen über die Grenze ins friedlichere und sicherere Thailand. Und hier kommt Vater zu einer merkwürdigen Minderheit, den Kuonmintang, die seit einem halben Jahrhundert auf der Flucht vor der Roten Armee über die Grenze gingen, von den Amerikanern missbraucht wurden, um in China Unruhe zu stiften, sich dann aber doch lieber der Produktion von Opium widmeten. Viele der sich daraus ergebenen Konflikte werden beschrieben.

Auch die in Thailand brennende Frage der Prostitution und der damit verbundenen HIV-Infektion ist an den Berg- wie See-Minderheiten nicht spurlos vorbeigegangen.

Modernisierung des Lebensstils, Befreiung von einengenden Sitten und der Umstand, dass Prostitution einer der größten und lukrativsten Wirtschaftszweige in Thailand ist, haben dazu geführt, dass nicht nur verarmte Frauen, Witwen und dergleichen diesen Weg gehen. Sondern dasser sich generell als der kürzeste Weg zum Wohlstand anzubieten scheint.

Ein ähnliches Problem stellte lange der Anbau von Schlafmohn und die Produktion von Opium dar. Auch hier bietet das Buch wichtige Einblicke und schildert die Versuche der Regierung dieses Übel abzustellen.

Tom Vaters Buch ist umfassend. Er stellt die Minderheiten in den Zusammenhang mit Tourismus, Missionierung und Entwicklungshilfe, mit politisch-militärischen und polizeilichen Massnahmen im Inneren und von aussen und lockert die Beschreibung durch Exkurse auf.

Ein Glossar, ein Hinweis auf Internetquellen und Lesetipps schließen das Buch ab, das durch eine Fülle ausgezeichneter Farbfotos der Etnobotanikerin Aroon Thaewchatturat den Rang einer hervorragenden Einführung in das Thema erhält. …

Wolf Donner, Thailand-Rundschau (2006)